Am 3. November 2025 fand die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages in Berlin statt, zu der Rechtsanwalt Dr. Achim Tiffe als Sachverständiger eingeladen war.
Achim Tiffe von JUEST+OPRECHT nahm dabei zu dem Gesetzenwurf Stellung, mit dem die Verbraucherkredit-Richtlinie 2023/2225 in deutsches Recht umgesetzt werden soll.
Stellungnahme im Ausschuß für Recht und Verbraucherschutz
Im Folgenden finden Sie das Eingangsstatement von Dr. Achim Tiffe als Sachverständiger vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 3. November 2025:
„Ich möchte 5 Punkte ansprechen:
(1) Schriftform bei Krediten schützt Verbraucher
Die Schutzfunktion der Unterschrift sollte als Warnfunktion erhalten bleiben.
Die qualifizierte elektronische Signatur, die bereits heute schon zur Unterzeichnung zulässig ist, ist nicht zu schwerfällig, sondern erfüllt genau ihre Funktion.
Bei einer bloßen Textform besteht ein erhebliches Risiko durch Übereilung, Missbrauch und Identitätsdiebstahl. Textform ist jede SMS und WhatsApp-Nachricht. Dies bietet keinen Übereilungsschutz.
Die Einführung der Textform zur Kreditaufnahme wird die Überschuldung vermutlich auch stark ansteigen lassen.
(2) Risiko durch Kleinstkredite wie „Buy Now Pay Later“
Das Risiko für Verbraucher durch Kleinstkredite wie „Buy Now Pay Later“ sollte nicht unterschätzt werden. Deshalb sie auch bei der Kreditwürdigkeitsprüfung wie auch bei den anderen verbraucherschützenden Regelungen weitestgehend mit einbezogen werden sollten.
(3) Kreditwürdigkeitsprüfung muss klarer geregelt werden
Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung fehlt zum einen das Recht des Verbrauchers auf Erhalt der notwendigen Dokumentation und zum anderen klarere Regeln, auf welche Informationen die Darlehensgeber zurückgreifen müssen.
Verbraucher benötigen einen gesetzlichen Anspruch auf Erhalt der Dokumentation, um eine fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung beweisen zu können.
Aktuelle Monatsauszüge des Girokontos sollten zwingend als Basis für die Kreditwürdigkeitsprüfung vorgesehen werden. Denn hier sind in der Regel die Einnahmen und Ausgaben der Verbraucher auch bei Kleinstkrediten und die Tragfähigkeit für weitere Kredite und Ratenzahlungen sichtbar.
Vor Gericht wird immer wieder auch darüber gestritten, ob der Kreditgeber eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung darlegen und beweisen muss, obwohl dies der EuGH bereits so festgestellt hat. Daher ist hier eine Klarstellung des deutschen Gesetzgebers notwendig.
(4) Konkrete Wuchergrenze notwendig
Es bedarf auch einer verbindlichen Wuchergrenze bei Verbraucherdarlehen.
In § 492 Abs. 9 BGB-neu wird nur die bestehende Rechtsprechung wiederholt, ohne klare Wuchergrenzen in Prozentzahlen zu benennen. Der Bankenfachverband hat die vorgeschlagene gesetzliche Regelung begrüßt, weil sie einen „atmenden Kostendeckel“ darstellen würde, der „flexibel“ sei. Ich habe in meiner Stellungnahme einen Fall der Targobank aufgeführt, damit Sie sehen können, wie so ein „atmender Kostendeckel“ aussieht:
Er führt zur Überschreitung genau der Wuchergrenzen, die mit dem Gesetz festgelegt werden sollen. Der Marktzins lag bei Vertragsschluss bei 8,99 %. Die Targobank wies einen effektiven Jahreszins von 18,09 % aus. Das ist mehr als 100 % relativ und liegt somit über der Wuchergrenze.
Dazu kommen in dem Beispielfall mehr als 22.000 Euro für eine Restschuld-versicherung, die auch noch kreditfinanziert wurde. Hier sehen Sie, wie die Wuchergrenze atmet und flexibel von der Anbieterseite benutzt wird.
Weder hilft dem Verbraucher hier die Aufsichtsbehörde noch eine atmende Wuchergrenze im Gesetz.
Die EU-Richtlinie lässt die Möglichkeit zu, Wuchergrenzen als Staat festzulegen und zu veröffentlichen. Frankreich geht mit gutem Beispiel voran. Dies sorgt sowohl für Anbieter als auch Verbraucher für Transparenz.
Das Gesetz sollte daher eine Möglichkeit vorsehen, durch Rechtsverordnung Wucherzinssätze für Verbraucherdarlehen zu veröffentlichen, wie es Frankreich macht.
(5) Kein gleichzeitiger Verkauf überteuerter Restschuldversicherungen
Das Beispiel der Targobank zeigt auch die Risiken durch den gleichzeitigen Verkauf von Restschuldversicherungen. Eine Restschuldversicherung zu einem Preis von 22.000 Euro ist kein sinnvolles Produkt für Verbraucher.
Die Aufsichtsbehörde BaFin hat im Jahr 2017 selbst festgestellt, dass bei Restschuldversicherungen bis zu 85 % davon an die Banken zurückflossen. In Großbritannien war dies einer der größten Finanzskandale.
Der Gesetzgeber hat in Deutschland § 7a V VVG eingeführt, um diese Praxis zu unterbinden. Sollte § 7a V VVG wieder gestrichen werden, werden wir aller Voraussicht nach wieder die Verhältnisse haben, die Sie in dem Beispiel der Targobank finden.
Der Gesetzgeber sollte daher § 7a V VVG beibehalten.
Die Regelung erscheint auch nicht europarechtswidrig. Denn Erwägungsgrund 47 der Richtlinie sieht vor, dass Verbraucher nicht dazu verleitet werden sollen, „Kreditverträge zu schließen, die nicht in ihrem besten Interesse sind.“ Verbraucher vor derartigen Restschuldversicherungen zu schützen, steht daher nicht im Widerspruch zu der EU-Richtlinie.
Zudem erlaubt die EU-Richtlinie für Versicherungsvermittler 2016/97 in Art. 24 Abs. 7 den Mitgliedstaaten, bei Querverkäufen strengere Regeln zu erlassen und bestimmte Verkäufe zu untersagen. Nichts anderes ist § 7a Abs. 5 VVG.“