Sparkassen haben in der Vergangenheit Sparverträge oft nicht korrekt angepasst

Viele Verbraucher haben in den 90er Jahren gut verzinste Sparverträge abgeschlossen, die ihnen die Sparkassen für ihre Altersvorsorge empfohlen haben. Nun versuchen sich die Sparkassen von den Sparverträgen zu trennen. Teilweise kündigen die Sparkassen die Sparverträge auch, oft zum Ärgernis ihrer treuen Kunden.

Verbraucher haben in der Regel zwei Fragen: Ist die Kündigung zulässig und wurden die Zinsen korrekt angepasst? Beides hat der Bundesgerichtshof entschieden. Eine Kündigung ist nach Ablauf der vorgesehenen Sparphase bzw. dem Erreichen der letzten Prämienstufe zulässig, wenn es keine ausdrücklich längere Vertragslaufzeit gibt. Die Zinsen müssen dabei von Anfang an korrekt angepasst werden. Es gilt der Grundsatz: „Ein guter Zinssatz muss ein guter Zinssatz bleiben.“

Werden falsche Kriterien für die Zinsanpassung verwendet oder erfolgte die Zinsanpassung oft willkürlich, kann zu hohen Differenzen des angesparten Betrages führen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kam bei einer Stichprobe im Jahr 2019 zum Ergebnis, dass durchschnittlich 2.092 Euro zu wenig an Zinsen ausgewiesen wurden. In Einzelfällen kann es um deutlich höhere Beträge geben, wie das folgende Beispiel zeigt.

Kundin ließ Sparverträge nachrechnen

Die Kanzlei JUEST+OPRECHT Rechtsanwälte vertritt eine Verbraucherin gegenüber der Nord-Ostsee Sparkasse. Die Verbraucherin hatte sich an eine Verbraucherzentrale gewendet. Diese rechnete die Sparverträge nach und kam bei einer korrekten Zinsanpassung der zwei Sparverträge aus den 90er Jahren zu einem ca. 16.500 Euro höheren Gesamtbetrag.

Nach Auffassung der eingeschalteten Verbraucherzentrale hat die Nord-Ostsee Sparkasse und ihre Vorgängerin die Zinsanpassung nicht korrekt vorgenommen. Die Nord-Ostsee Sparkasse hatte danach die Verbraucherin über Jahre hinweg bei der Zinsanpassung zu Unrecht benachteiligt.

Kein Schuldbewusstsein bei der Nord-Ostsee Sparkasse

Mit der Abrechnung der Verbraucherzentrale konfrontiert passte die Nord-Ostsee Sparkasse nicht die Zinsen an, sondern kündigte stattdessen die beiden Sparverträge zum 29. Juli 2020. Die Berechnung der Verbraucherzentrale wies die Nord-Ostsee Sparkasse zurück und beruft sich nun auch auf Verjährung.

Als fehlerhaft sieht Dr. Achim Tiffe, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, schon den von der Nord-Ostsee Sparkasse zugrunde gelegten Mischzins an, mit dem die Nord-Ostsee-Sparkasse eine Nachberechnung durchgeführt hatte, um ihre Zinsanpassung zu rechtfertigen. Denn ein derartiger Mischzins ist für Bankkunden in der Regel nicht nachvollziehbar und intransparent. Auch verjähren nach Ansicht von Rechtsanwalt Tiffe nicht die Zinsansprüche und müssen vielmehr einem laufenden Sparvertrag gutgeschrieben werden.

Schließlich kann sich eine Sparkasse oder Bank nicht einfach einen Zinssatz im Nachhinein „ausdenken“, so Rechtsanwalt Dr. Achim Tiffe. Entweder ist ein Referenzzinssatz vertraglich eindeutig vereinbart worden, der dem Transparenzgebot genügt, oder die Zinsanpassung hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu erfolgen. Mit allen anderen Versuchen, die Zinsanpassung im Nachhinein als korrekt zu erklären, wird eine Sparkasse Probleme haben, vermutet Fachanwalt Dr. Achim Tiffe. Insbesondere kann eine Sparkasse den Abstand zum Referenzzinssatz nicht zu Ihren Gunsten einseitig verändern.

Auch Sparkassen im Norden sind betroffen

Wie der Fall zeigt, sind fehlerhafte Zinsanpassungen von Prämiensparverträgen und Kündigungen nicht nur im Süden und dem Osten Deutschlands verbreitet, sondern auch Verbraucher auch im norddeutschen Raum betroffen.

Um welche Sparverträge es geht

Alle Sparverträge mit einem variablen Zins sind betroffen, insbesondere Sparverträge aus den 90er Jahren und früher, bei denen kein Referenzzinssatz angegeben wurde, sondern es im Vertrag bzw. der Sparurkunde nur  „variabler Zins … %“ oder „Zins zurzeit …%“ heißt. Hier haben die Sparkassen und Banken die Zinsen oft angepasst, wie sie gerade wollten, meistens zum Nachteil der Sparer. Das aber ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zulässig. Es gibt vielmehr klare Kriterien für die Zinsanpassung.

Betroffen sind einfache Sparverträge und Prämiensparverträge. Typisch für Prämiensparverträge ist, dass neben einem variablen Zins auch Prämien vereinbart wurden, die von Jahr zu Jahr stiegen, oft auf bis zu 50 % im 15. Sparjahr. Die Prämien werden oft auf die in dem jeweiligen Jahr geleisteten Sparbeiträge gezahlt.

Was Verbraucher tun können

Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sieht Fachanwalt Dr. Achim Tiffe gute Chancen für Verbraucher eine korrekte Zinsanpassung durchzusetzen.

Hinterfragen Sie als Verbraucher die Zinsanpassung. Lassen Sie sich die Zinsanpassung anhand des Sparvertrages von der Sparkasse bzw. der Bank erklären. Die Sparkasse oder Bank soll Ihnen dabei offenlegen, welchen Referenzzinssatz sie verwendet hat. Steht im Sparvertrag nur „variabler Zins … %“ oder „Zins zurzeit …%“, so muss die Sparkasse die Zinsanpassung an einem Referenzzinssatz vornehmen, der dem konkreten Sparvertrag und seiner ausgelegten Laufzeit möglichst nahe kommt. JUEST+OPRECHT Rechtsanwälte hält Mischzinssätez für eine Zinsanpassung grundsätzlich für ungeeignet. Sie dienen nach ihrer Ansicht oft nur dazu, die Sparkasse einseitig zu begünstigen und den Kunden zu übervorteilen.

Nachberechnung ist sinnvoll

Bleiben Zweifel, dass der richtige Referenzzinssatz verwendet wurde oder lässt sich die Zinsanpassung nicht selbst mit einfachen rechnerischen Schritten nachvollziehen, so sollten Sie die Zinsanpassung überprüfen. Verbraucherzentralen und Kreditsachverständige haben entsprechende Erfahrung. Die Verbraucherzentrale Sachsen zum Beispiel rechnet Sparverträge für Verbraucher nach.

Fachanwalt Dr. Achim Tiffe vermutet, dass die Zinsen der meisten Sparverträge aus den 90er Jahren und früher, die Kunden zum Aufbau einer Altersvorsorge regelmäßig besparen, nicht korrekt angepasst wurden.

Die Kanzlei JUEST+OPRECHT Rechtsanwälte berät bundesweit Unternehmer und Verbraucher gegenüber Banken und Versicherungen.

Das Landgericht Tübingen hat in einem Urteil vom 26.01.2018, Az. 4 O 187/17, entschieden, dass Negativzinsen bei laufenden Sparverträgen unzulässig sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, zeigt aber, dass Negativzinsen bei Sparverträgen inklusive Tagesgeldkonten und Termingeldern von Banken und Sparkassen nicht einfach vorgenommen werden können.

Grundlage des Urteils war ein Verbandsklageverfahren eines Verbraucherverbands. Das Urteil hat jedoch genauso Bedeutung für institutionelle Anleger und Unternehmen. Denn die Normen, die das Landgericht Tübingen für die Unwirksamkeit einer Negativzinsvereinbarung herangezogen hatte, sind grundsätzlich zu beachten und nicht nur gegenüber Verbrauchern. Entsprechend sollten alle Betroffenen prüfen, ob eine Bank oder Sparkasse negative Zinsen auf Geldanlagen erhoben und einbehalten hat und eine Rückforderung in Erwägung ziehen.

Sparverträge, Tagesgeldkonten und Termingelder betroffen

Gegenstand waren Preisangaben einer Volksbank, die für Termineinlagen und Tagesgelder anfänglich einen Zinssatz von 0,00 % festgelegt hatte, im Preisverzeichnis später aber einen Negativzins von –0,1 % bis –0,5 % jährlich verlangte. Das Termingeld wurde für eine bestimmte Frist (z.B. 90 Tage, 180 Tage) vereinbart. Ein weiteres Produkt hieß Anlagegeld mit einer Laufzeit von einem Jahr. Die Laufzeit verlängerte sich bei Fälligkeit, wenn keine anderslautende Weisung erteilt wurde.

Kein Anspruch auf Negativzinsen bei laufenden Sparverträgen

Nach Ansicht des Landgericht Tübingen verändert dies den Vertragscharakter von Tagesgeldkonten und Termingeldern. Die Entscheidung ist auf Sparverträge, die oft als Sparbuch geführt werden, übertragbar. Auch wenn der Zins eine Preishauptabrede darstelle, sei dies eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 488 BGB und damit eine unangemessene Benachteiligung des Kunden, die einen Verstoß gegen § 307 BGB darstellt.

Insgesamt hat das Landgericht Tübingen damit deutlich gemacht, dass Banken und Sparkassen bei laufenden Tagesgeldkonten und Sparverträgen mit einem variablen Zinssatz nicht einfach einen Negativzins verlangen können. Das gilt ebenso bei Termingeldern mit automatischer Verlängerung.

Negativzinsen bei Neuverträgen?

Inwieweit Negativzinsen bei Neuverträgen von Anfang an wirksam vereinbart werden können, hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Es hat diese Frage ausdrücklich offengelassen, was darauf schließen lässt, dass das Gericht Negativzinsen nicht an sich für unzulässig erachtet. Dies muss dann aber dem Kunden im Vertrag zumindest entsprechend deutlich gemacht werden. Ob derartige Klauseln Bestand haben, sollte im Einzelfall geprüft werden.