Mit Spannung wird das Urteil des OLG Koblenz, Az. 2 UKl 1/23, erwartet, das über die Stornoklauseln des Debeka Versicherungsvereins a.G. entscheiden wird. Das Gericht hat in seiner mündlichen Verhandlung am 7. November 2024 zu erkennen gegeben, dass es die Klage der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. vermutlich für begründet hält. Am Mittwoch, den 28. November 2024 wird voraussichtlich das Urteil verkündet.

Zum Gerichtsverfahren beim OLG Koblenz, Az. 2 UKl 1/23

Rechtsanwalt Achim Tiffe von JUEST+OPRECHT Rechtsanwälte führte das Verfahren für die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. Es ist eines der ersten Gerichtsverfahren nach der neuen gesetzlichen Regelung, dass Unterlassungsklagen direkt beim Oberlandesgericht eingereicht werden und es nur noch eine Revisionsinstanz gibt.

Mit der Klage wurde eine Stornoklausel der Debeka bei Kapitallebensversicherungen bzw. Rentenversicherungen angegriffen, die neben üblichen Stornokosten bei einer frühzeitigen Beendigung der Verträge durch die Versicherungsnehmer eine weitere Stornogebühr eingeführt hat. Bis zu 15 % weitere Abzüge sollen Verbraucher dadurch hinnehmen, abhängig von der Entwicklung des Kapitalmarktes.

Wieso Verbraucher durch die zusätzliche Stornoklausel benachteiligt werden

Nach Ansicht der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. verstößt dies gegen § 169 Abs. 5, S. 1 VVG. Danach muss ein Stornoabzug vereinbart, beziffert und angemessen sein. Wann und in welcher Höhe Verbraucher den weiteren Abzug von bis zu 15 % hinnehmen müssen, kann ein Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss – und auch danach – nicht erkennen, so die Argumentation der Verbraucherseite. Verbraucher werden durch den zusätzlichen Stornoabzug zudem unangemessen benachteiligt, siehe dazu den Kommentar der Verbraucherzentrale Hamburg e.V.

Welche Verträge betroffen sind

Potenziell sind alle vorzeitig beendeten Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen der Debeka in den letzten und den kommenden Jahren davon betroffen. Dies hängt davon ab, ob die Stornoklausel in den Versicherungsverträgen enthalten ist und ein zusätzlicher Stornoabzug bei der Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswertes erfolgt ist.

Die meisten Kapitallebens- und Rentenversicherungen werden wohl vorzeitig beendet

Aufgrund der von dem Gesamtverband der Versicherer herausgegebenen Zahlen zur jährlichen Stornierung von Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen wird geschätzt, dass die Mehrheit der abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen vorzeitig beendet werden.

Wieso Verbraucher die Verträge vorzeitig beenden

Die Gründe für eine vorzeitige Kündigung der Verträge sind vielfältig. Meist liegt es an geänderten Lebensumständen, bei denen das angesparte Kapital benötigt wird. Es wird davon ausgegangen, dass Gründe für die vorzeitige Beendigung von Kapitallebensversicherungen oft Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Tod des Partners, Trennung oder Scheidung sind.

Was Verbraucher tun können

Wenn Sie als Verbraucher mit unklaren oder hohen Abzügen bei Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen konfrontiert sind, lassen Sie überprüfen, ob dies rechtlich zulässig ist. Insbesondere bei Verträgen der Debeka, bei denen zusätzliche Stornoabzüge vorgenommen worden sind oder Abzüge in der Zukunft aufgrund von vorzeitiger Kündigung drohen, sollten Sie sich rechtlichen Rat suchen.

Wann über die Stornoklausel endgültig entschieden wird

Das Urteil des OLG Koblenz wird voraussichtlich nicht sofort rechtskräftig werden, sondern in die nächste Instanz gehen. Die endgültige Entscheidung wird somit vermutlich erst der Bundesgerichtshof in den kommenden Jahren treffen.

Die Allianz Versicherung ist wegen irreführender Werbung für das Versicherungsprodukt IndexSelect verurteilt worden.

Gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Hamburg freuen wir uns über klarstellende Worte des Münchener Landgerichts in einem wettbewerbsrechtlichen Verbandsklageverfahren gegen die Allianz Deutschland AG.  

Indexpartizipation

Mit den Attributen „Sicher, chancenreich und wandlungsfähig“ warb die Allianz Versicherung für ihr sogenanntes Vorsorgekonzept IndexSelect. Das Lebens- und Rentenversicherungsprodukt biete über eine Beteiligung an der Wertent­wicklung des EURO STOXX 50® hervorragende Chancen für die Vorsorge, schrieb der Versicherer auf seiner Internetseite. Konkrete Hinweise wie die als „Indexpartizipation“ verkaufte Orientierung an dem Index tatsächlich erfolgen sollte, konnte der Verbraucher aber den Webseiten nicht entnehmen, wie die Verbraucherzentrale Hamburg bemängelte. Sie mahnte die Allianz Versicherung ab und forderte die zur Unterlassung der aus ihrer Sicht irreführenden und unlauteren Online-Werbung auf. Die Allianz lehnte das ab.

Wir haben über unseren Anwalt für Verbandsklagen Stephen Rehmke daraufhin für die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. Klage gegen die Allianz Deutschland AG wegen der Werbung für das Finanzprodukt erhoben und Recht bekommen.

Nach dem Urteil des Landgerichts München I muss die Allianz Deutschland AG  bestimmte Formulierungen hinsichtlich der Wertentwicklung ihres sogenannten Vorsorgekonzepts Index Select nun zukünftig unterlassen (Urteil vom 23. März 2018, Az. 37 O 12326/17, nicht rechtskräftig). Erste Änderungen hat der Versicherungskonzern im Vergleich zum Stand seiner Werbung im März 2017 mittlerweile schon vorgenommen.

Reine Augenwischerei

Die Münchner Richterinnen kamen zu der Überzeugung, dass „die an zahlreichen Stellen des Internetauftritts hervorgehobene Aussage „Beteiligung an der Wertentwicklung des EUROSTOXX 50“ sowie die Verwendung des Begriffs „Indexpartizipation“ bei einem Großteil der Verbraucher den Eindruck erweckt, es erfolge (…) eine Anlage in Finanzprodukte, mit der die im Aktienindex gelisteten Werte abgebildet werden.“ Das Gericht sah in den Formulierungen zur Index Select Rente irreführende Angaben, weil „eine Korrelation des Renditeversprechens (…) mit der Wertentwicklung des Aktienindexes nur sehr eingeschränkt besteht“.

Kerstin Becker-Eiselen, Abteilungsleiterin Geldanlage, Altersvorsorge, Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg bemerkt dazu:

 „Das vermeintliche Wunderprodukt IndexSelect ist reine Augenwischerei, denn in welcher Höhe und in welcher Form Anleger tatsächlich am Index partizipieren, darüber lässt die Allianz ihre Kunden im Unklaren. Wir freuen uns, dass die Münchner Richter diesen Etikettenschwindel nun gestoppt haben. Gerade bei der Altersvorsorge darf Verbrauchern nicht ein X für ein U vorgemacht werden.“